32 research outputs found
Das "Subjekt" bei Niklas Luhmann
NaturgemÀà dĂŒrfte uns interessieren, was der Mensch ist, und auch â wenn das denn so zu trennen ist â, was er sein soll, da wir gewöhnt sind, uns selbst als Menschen zu bezeichnen. Es handelt sich also um eine Form der Selbstbeschreibung und der semantischen Wirklichkeitskonstruktion. Ein Begriff wie âder Menschâ beruht auf einer Beobachtung, und beobachten können wir nur, wenn wir etwas unterscheiden, zum Beispiel den Menschen vom Tier. Seit etwa der zweiten HĂ€lfte des 18. Jahrhunderts kommt die Einsicht auf, daĂ solche Erkenntnisse, die sich in semantischen Traditionen (wie etwa der Bezeichnung âanimal rationaleâ) verdichtet haben, sich mit der gesellschaftlichen Entwicklung verĂ€ndern. Das fĂ€llt den Menschen offenbar schwer zu akzeptieren, die â immer noch â gerne wissen möchten, was denn âder Menschâ an sich sei, das heiĂt jenseits aller historischen VariabilitĂ€t der Formen und der VerĂ€nderung des Wissens
Globalisierung und regionale IdentitÀt
Ein See, ein Wald, ein Dorf und ein Herrenhaus: tiefste Provinz. Ein SchloĂ im Norden der Grafschaft Ruppin. "Alles still hier. Und doch, von Zeit zu Zeit, wird es an ebendieser Stelle lebendig. Das ist, wenn es weit drauĂen in der Welt, seiâs auf Island, seiâs auf Java, zu rollen und zu grollen beginnt oder gar der Aschenregen der hawaiischen Vulkane bis weit auf die SĂŒdsee hinausgetrieben wird. Dann regt sichs auch hier, und einWasserstrahl springt auf und sinkt wieder in die Tiefe. Das wissen alle, die den Stechlin umwohnen ..." Fontanes gleichnamiger groĂer Roman thematisiert die Wechselwirkung von Weltgeschehen und Region. Und es ist nicht nur das uralte Kommunikationsmedium der Natur in Gestalt des Sees, sondern als neuestes Medium die Telegraphie, die den "Ort" (See, Wald, Dorf und SchloĂ) mit der Welt verbindet
Die poetische Ăkonomie von Heine und Marx
Der Titel einer poetischen Ăkonomie von Heine und Marx bezieht sich durch Assonanz und Wissen auf die politische Ăkonomie, deren Kritik die Hauptwerke von Karl Marx, insbesondere das Kapital, bekanntlich gelten. Auch aus einigen der wichtigsten Werke Heines, den Reisebildern, den Französischen ZustĂ€nden und der Lutetia (aber damit sind keineswegs alle benannt) lieĂe sich eine Kritik der politischen Ăkonomie extrahieren, wenn man darunter die Kritik der politischen Konsequenzen wirtschaftlichen Handelns versteht
Adornos Kulturkritik : zwischen Apokalypse und Messianismus
Das Strohfeuer des Kulturbetriebs anlĂ€Ălich des 100. Geburtstages von Theodor W. Adorno ist fast schon wieder verbrannt, die GeschĂ€fte sind gemacht. Was bleibt, ist die "Wunde Adorno", wie er einmal von der "Wunde Heine" sprach. Ein Ărgernis - das wĂ€re sein bestes VermĂ€chtnis. Von Heine sagte er: "Sein Name ist ein Ărgernis und nur wer dem ohne SchönfĂ€rberei sich stellt, kann hoffen, weiterzuhelfen." (Die Wunde Heine, 146
Feinde, es gibt keine Feinde! : Derridas Politiques de lâamitĂ© als Replik auf die Wende 1989/90
Die Ăberlegungen zu âPolitiken der Freundschaftâ durchqueren die Wendezeiten 1989 und 1990, sie gehen in der BeschĂ€ftigung mit den Problemen des Nationalismus, des Fremden, des Theologisch-Politischen in die achtziger Jahre zurĂŒck. Diese Durchquerung macht diese Schrift zu einem ausgezeichneten Dokument der Wende, wenn auch, was wenigstens andeutungsweise geschehen soll, das unmittelbarste Zeugnis fĂŒr eine vom Ereignis der Wende erzwungene Auseinandersetzung die beiden VortrĂ€ge vom April 1993 hinzuzuziehen sind, die unter den Titeln "Wither marxism?" und "Spectres de Marx", zu deutsch: Die Gespenster von Marx, aber auch die Spektren, im Sinn von die verschiedenen Facetten, von Marx eine Trauerarbeit und eine neue Internationale ankĂŒndigen
Schillers Jungfrau von Orleans, oder : die Entstehung eines Nationalmythos
"Goethe meint, dass es mein bestes Werk sei", schreibt Schiller an Körner am 13. Mai 1801. Bezeugt sind zudem die, vor allem von der studentischen Jugend, begeistert und bejubelt aufgenommenen ersten AuffĂŒhrungen 1801 in Leipzig. Heute dĂŒrfte die Jungfrau eher zu den weniger oft aufgefĂŒhrten Dramen Schillers gehören. SchlieĂlich handelt es sich auf einen ersten unbefragten Blick um sein befremdlichstes, um ein bizarres und mysteriöses StĂŒck. Warum beschĂ€ftigt sich der AufklĂ€rer und Klassiker mit einer mythisch-mystischen Hexe und Heiligen (denn sie ist beides in der Geschichte) in einer romantischen Tragödie? Von den Romantikern sind wir allerhand Spuk- und Gespenstergeschichten gewöhnt und ZauberbĂ€ume und sprechende Heiligenbilder ĂŒberraschen uns nicht. Aber Schiller? Schiller ist doch, so verstehe ich ihn jedenfalls, ein politischer Dichter. Und da liegt auch schon die Antwort: eben deshalb
Kritische Kulturtheorie : programmatische und methodologische Ăberlegungen
"Kultur" ist im letzten Jahrzehnt zu einem SchlĂŒsselbegriff humanwissenschaftlicher (und auch politischer) Debatten avanciert. Dabei lĂ€Ăt sich allerdings feststellen, daĂ die Theoriebildung oftmals einen eher diffusen Begriff von Kultur veranschlagt und daĂ die Kulturtheorie daher noch weit davon entfernt ist, ĂŒber ein adĂ€quates methodisches Instrumentarium zu verfĂŒgen. Es dominieren empirisch-deskriptive Theorien, die den Kulturbegriff so abstrakt-inhaltsleer fassen, daĂ er nur noch fĂŒr die symbolischsemiotische Konstruiertheit von Lebenswelt ĂŒberhaupt steht oder zuletzt semantisch mit "Zivilisation" im allgemeinen zusammenfĂ€llt. FĂŒr Zwecke konkreter Kultur- und Zivilisationskritik ist ein derart undifferenzierter Kulturbegriff nicht mehr zu gebrauchen. Ja, nicht einmal systematische Deskription leistet er noch, da schon Klassifikationsversuche von Kulturtypen unter den Verdacht politischer Unkorrektheit gestellt werden. Der Verzicht auf systematisierende Kritik erzeugt denn auch den Eindruck von Beliebigkeit, den die meisten aktuellen sogenannten kulturwissenschaftlichen Arbeiten vermitteln
Musil und das 20. Jahrhundert
Vor fĂŒnfzig Jahren, im Todesjahre Robert Musils, veröffentlichte das nach Los Angeles emigrierte Institut fĂŒr Sozialforschung Walter Benjamins Thesen >Ăber den Begriff der Geschichte<. Als VermĂ€chtnis des 'Geistes' des ausgehenden neunzehnten und der ersten HĂ€lfte des zwanzigsten Jahrhunderts fassen diese Thesen bĂŒndig zusammen, was die letzte Nachhut auf dem Streitfeld der Diskurse noch bis in die siebziger Jahre dieses Jahrhunderts beschĂ€ftigt hat: das geschichtsphilosophische Denken in der Gestalt des historischen Materialismus, in dem das kleine bucklicht MĂ€nnlein, die Theologie, versteckt saĂ. Geschichte wurde betrachtet, als fĂŒhre sie einen "heimlichen Index mit, durch den sie auf die Erlösung verwieSen wurde